Es gibt einen besonderen Moment, wenn der erste Sonnenstrahl meinen Garten die Planzen in goldenes Licht taucht und die noch feuchten Blätter sich sanft im Wind wiegen. Ich gehe durch die Beete, sehe neue Keimlinge. Blumen erblühen, Wildkräuter duften, überall summen Insekten, die ihrer Arbeit nachgehen. In diesen Momenten stehe ich mit allem im Einklang – die Natur folgt ihrem eigenen Rhythmus, einem Kreislauf, den ich im hektischen Alltag oft vergesse. Doch dieser Moment erinnert mich auch daran, dass jeder Samen, der keimt, eines Tages wieder vergeht.
In unserer modernen Welt, in der Konsum den Alltag bestimmt, sind wir oft weit entfernt von der Natur. Der Supermarkt bietet alles, immer verfügbar, unabhängig von der Saison. Ein wahnsinniger Luxus, aber auch ein Trugbild. Was wir übersehen, ist der Preis, den wir und die Umwelt dafür zahlen.
Monokulturen, lange Transportwege und Lebensmittelverschwendung – all das ist Teil eines Kreislaufs, der uns und unsere Welt aus dem Gleichgewicht bringt.
In meinem Garten lerne ich, dass alles seine Zeit hat: im Frühling säen, im Sommer pflegen, im Herbst ernten und im Winter ruhen. Dieser Kreislauf erdet mich und verbindet mich mit den Jahreszeiten. Der Boden, den ich hege, und das Gemüse, das ich wachsen sehe, schenken mir nicht nur Nahrung, sondern auch ein tiefes Gefühl von Dankbarkeit und Demut. Jedes Jahr ist ein neuer Anfang, jede Pflanze ein Geschenk, das mich daran erinnert, wie viel uns die Natur gibt.
Während die Wirtschaft auf Wachstum setzt und die Regale unersättlich füllt, zeigt mir mein Garten einen anderen Weg. Einen Weg der Achtsamkeit. Hier gibt es kein Überangebot, keine verschwenderischen Ressourcen. Nur das, was der Boden bereit ist, zu schenken. Ein Zuviel gibt es nicht, was ich ernte, kann ich teilen, konservieren oder der Erde zurückgeben, damit es im nächsten Jahr erneut erblüht.
Nachhaltigkeit ist nicht nur ein Trend, sondern ein tiefes Bedürfnis in mir, wieder mit der Natur im Einklang zu leben.Mein Garten ermöglicht es mir, Teil dieses natürlichen Kreislaufs zu sein. Ich habe die Angst vor dem Tod verloren, weil ich weiß, dass alles wiedergeboren wird.
Mein Glaube ist, dass mein Körper vergeht, zu Erde zerfällt und neues Leben für andere Wesen hervorbringt. Ich stelle mir vor, wie ich zu einer Blumenwiese, einem Baum oder zu Gemüsepflanzen heranwachse. Ein geschlossener Kreislauf, in dem nichts verloren geht – vom Kompost, der die Erde nährt, bis hin zu den Samen, die das nächste Jahr versprechen.
Der Kontrast zwischen Konsum und Natur könnte für mich nicht größer sein. Während der Konsum auf das Sofortige und das immer Verfügbare setzt, lebt mein Garten von Geduld und dem Verständnis, dass nicht alles zur gleichen Zeit blüht. Es ist eine stille Lektion, die mich daran erinnert, wie wichtig es ist, im Moment zu leben und die Dinge in ihrem natürlichen Tempo geschehen zu lassen.
In der Ruhe meines Gartens, fernab der Hektik des Alltags, erkenne ich, dass wahre Nachhaltigkeit nicht nur im Kauf oder in der Vermeidung von Dingen besteht. Es geht um mein Verhältnis zur Welt, um das Bewusstsein für den Lebenskreislauf, den die Natur mir täglich vorlebt.Wenn ich mich darauf einlasse, kann ich nicht nur meinen Garten, sondern auch mein Leben harmonisch mit der Natur gestalten.
Euer Sven
